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Ostsee zum Junibeginn 2024

Schon am Abend des letzten Maitages komme ich in meinem geliebten Neuhaus auf dem Darß an. Auf dem Campingplatz (nicht auf dem für Caravane) herrscht noch Vorsaison. D.h. Platzauswahl, ich bin die dritte Zelterin. Ich stelle nur schnell mein Zelt auf und schließe den Kühlschrank am Strom an, dann laufe ich die ca.300 m zum FKK Strandzugang, um der geliebten Ostsee Guten Abend zu sagen und das Meer anzuwärmen. Bei all den Weltreisen resümiere ich für mich: mein liebster Badeplatz ist hier!!! Langsam, genüsslich reinlaufen, schwimmen, untertauchen, was gibt’s Schöneres?

Am Vormittag des 1.Juni ist noch etwas Platz am Strand (s. Titelfoto!!!!). Angebadet hab ich schon. Stricken, Hörbuch hören, lesen und Proviant verzehren, immer wieder ins Meer gehen. Mehr brauche ich nicht. Die Sonne scheint, welch Glückstag.

Stiller Abend auf dem Campingplatz nach 22 Uhr. Ein Kind weint und ruft nach Mama. Ein Vogel zwitschert ebenso müde. Ich bin sehr froh, mein Menü auf dieser Website wieder in Ordnung gebracht zu haben. Da ich einige Monate ohne das Suchtmittel „Website-Gestaltung“ verbrachte, nämlich seit Oktober 2023 in Australien und im Dezember in Bad Lobenstein, ist mir einiges entfallen. Ich möchte in diesem Element ständig am Ball bleiben, aber das ist schwer, denn es erfordert Ruhe. Die habe ich hier. Ich sortierte auch die Thermomix Zeitschriften in Rezepte, die ich behalten möchte und solche, die in den Papierkorb können. Ich staunte, dass ich noch Hefte von 2016 und 2018 habe. Da redeten die Redakteure mich noch mit Sie an. Da gab es noch nicht so viel Werbung im Heft. Es machte mir Spaß, die Seiten der Hefte unterm Sonnendach bei Meeresrauschen in die Guten und die Nutzlosen zu sortieren. Ich strickte an einer Socke, nur den Schaft, da brauche ich nicht nachdenken, und hörte von Ken Follett „Die Waffen des Lichts“. Auch hier bin ich erstaunt, dass ich seit Monaten darin nicht weiter hörte, wohl seit Bad Lobenstein. Ich genoss das Baden im Meer, ich lief immer wieder langsam rein und ließ das Wasser mich umgarnen, ich schwamm raus, um den Grund unter meinen Füßen zu verlieren, und rein, um wieder Boden unter mir zu spüren, ich tauchte unter, um frei zu sein, lag still, um leicht und schwerelos zu sein, und ich ließ mich treiben, ich tauchte wieder auf und staunte über Wellen und Tang und über klare Sicht auf den Grund. Ich lief immer wieder nass über den weichen, warmen Sand den weiten Weg bis zu meinem Platz an der Düne. Es ist schön, wenn das Wasser von der Haut perlt und wenn ich es aus den Haaren auswringen kann. Es ist fantastisch, dass die milde Junisonne noch nicht knallt und dennoch warm genug ist, um nackt zu sein, damit Sonne, Wind und das frische und salzige Meer die Haut und die Seele heilen. Ich kann zugucken dabei. Alle Wunden schließen sich, alle Rötungen vergessen sich, aller Juckreiz ist fort. Vielleicht beschreibt das, was ich mit Glück meine.

Am zweiten Tag, zugleich 2.Juni, nahm ich mir vor, bis Wustrow am Strand lang zu laufen. Vormittags, denn die Sonne sollte sich laut Wettervorhersage erst 14 Uhr zeigen. Ich sinnierte unterwegs, dass ich vor vielleicht fünf Jahren diese Strecke hin und zurück gejoggt bin. Jetzt weiß ich nicht mehr, wie ich das schaffte. Ich lief über 26 km hin und zurück und war trotzdem nicht da. Ich lief über 5 h. Der Wind blies so heftig, dass ich lieber eine Kapuze über die Ohren zog und ich mein Mittagspicknick vor dem feinen Sandsturm schützen musste, so gut es ging. Ich dachte wieder an den Spruch meiner Mutter „Dreck reinigt den Magen“. Nachmittags schlich ich zum Strand und schlief erschöpft unter dem schützenden Dach des Strandzeltes, der heute als Windfang herhalten musste, ein. Die Surfer nutzten den Wellengang und ich dachte an Australien und „an früher“, wo ich Kraft und Mut gehabt hätte, das zu erlernen. Aber es war auch schön, zuzuschauen.

Montag, 03. Juni und dritter Tag, da hatte ich mich wohl gestern etwas übernommen und mein rechter Fuß sagte, heute nicht, und meine linke Hüfte meckerte vor sich hin, und so lief ich heute nur bis an den Strand. Dort spielte sich im Wechsel von Sonnendurchbruch und Wolken ein so lautmalerisches Theater ab, dass ich knipsen musste, obwohl ich glaube, schon alle Fotos von meiner Ostsee im Kasten zu haben. Als ich den Kaffeebecher im Sandsturm nicht nur fotografierte, sondern auch filmte, um den Sandsturm um ihn herum besser festzuhalten, sackte er nach links, in Windrichtung, da der Wind ihm etwas Sand unter dem Boden weg gegraben hatte. Ich traute meinen Augen kaum. Vielleicht schaffe ich das kleine Video hier rauf zu laden.

Mittwoch, 05.Juni, im Zelt:

Heute morgen regnet es leicht und so bleibe ich zum Frühstück und Schreiben im Zelt, der Tag ist lang und ich komme später lange genug „raus“. Gestern lief ich vormittags barfuß den Strand nach Graal- Müritz und kam FAST bis zur Seebrücke. Es kamen über 20 km derart zusammen und das scheint nun, nachdem ich heute keine Einschränkungen an mir beobachte, das mir gerecht werdende Maß zu sein. Das sind fast 30.000 Schritte, 10.000 will ich ohnehin jeden Tag schaffen. Siehe meine guten Vorsätze. Leider zerschlug sich das an vielen der stressigen Tage im Alltag. Das will ich wieder ändern! Gestern Abend schaffte ich auch Qi Gong am Strand mit Blick auf das Meer. Da lassen sich Zuschauer nicht vermeiden. Aber ich kann das unterdessen so sicher, dass ich es anderen lehren könnte. Es bereitet mir, dem Körper und der Seele, große Freude. Bei den unter diesem Beitrag eingefügten Fotos handelt es sich um meinen Zaubertopf beim Camping. Die Heizplatte ist in ihm integriert und ich stecke den Stecker an den Strom und schon kann ich kochen, braten und wie man sieht, sogar altes Brot toasten. Es erinnert mich an die Bratschnitten, die wir Kinder uns nach der Schule bei der Familie Buder oft zu bereiteten.

…und nach dem Regen wanderte ich an der Steilküste von Wustrow nach Ahrenshoop. Ich war begeistert von dem Wanderweg, denn an ihm blühten reichlich Bäume, Sträucher, Kräuter, Blumen und das Korn. Ich bewunderte die Blüten vom Spitzahorn und roch den starken Duft vom Holunder. Ich fotografierte den Mohn im Duett mit den Kornblumen, mit den wilden Margaritten. Ich entdeckte den Beifuß und den Wegerich, Rotklee, Acker-Senf, wilde blühende Wicken, die Ochsenzunge und die Lichnelke. Eine mich überwältigende Vielfalt, die ich nur beim Wandern so entdecken kann. Auch wenn mir mein Radel schon fehlt. Ich lernte, dass die Steilküste immer weiter vom Meer vereinnahmt wird und irgendwann das Meer an der schmalen Stelle zum Bodden durchbricht. Ich sah den Bodden auf der anderen Seite des Wanderwegs oft. In Ahrenshoop gefiel es mir nicht mehr. Zu viel Menschen, zu viel Kommerz. Jetzt sitze ich wieder an “ meinem“ Strand und staune, dass trotz Sonnenschein mir kaum jemand Gesellschaft leistet.

Die Steilküste bei Ahrenshoop. In dem Ort gibt’s auch sichtbaren Stunk:

Die Treppe zum Meer bei Niehagen wurde abgebaut, da die Steilküste wegbröckelt. Es ist gefährlich, dort runter zu laufen oder unten zu laufen. Manche begrub der Sand schon unter sich.

Donnerstag leider schon: heute wanderte ich im Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft von Prerow schnurgeradeaus den Buchenwaldpfad, eskortiert von Mücken und rückzu von vielen Radlern, die erstmal hinfuhren und dauernd Guten Morgen sagten, obwohl schon Mittag war. Ich schien die einzige Wanderin zu sein und würde dort nicht wieder wandern, zum Radeln wirklich besser. Aber ich kam an der Küste an und genoss ein Bad in den Fluten. Nach dem ebenso wenig abwechslungsreichen Rückweg gönnte ich mir Waffeln mit Eis und Eierlikörsahnetorte mit Blaubeeren, alles eine sehr eigennützige Erkundung in Vorbereitung auf unser Café. Wenn es nach den Preisen geht, könnte man denken, werden sie reich. Aber ich sah auch, wie viele Menschen dort arbeiteten und es war alles hübsch angerichtet und lecker und zufällig gab’s im Café auch kalt geschöpfte hübsche Seife, sehr einfach bis fast gar nicht verpackt und gut kalkuliert. Ich kaufte sie schon wegen dem Preis dran. Und freu ich mich auf unsere Seife.

Der große Rabe schielt nach meinem Strandpicknick.

Und ab, an den Strand zum Powernap, Eisbad, „Shogun“ Hörbuch und Strickmarathon

Donnerstags gab es abends diesen schönen Sonnenuntergang. Heute, Freitag, kündigte die Wettervorhersage Regen an Da dachte ich, gehe ich erst zum Strand, so lange die Sonne scheint.

Wie zu sehen, hatte ich bis zum frühen Nachmittag viel Platz. Zugegeben, der lange Weg zum Wasser war eisig und in ihm war es nicht weniger warm. Aber so bald ich schwimme, verfliegt die Kälte und wohliges Behagen setzt ein.

Am Abend zogen die Wolken auf, ein Surfer breitete sein Brett und sein Segel vor mir aus. Ich lief abends am Strand einmal barfuß rauf und runter und erfreute mich an Steinen, Muscheln und Algen und so mancher Dekoration.

Der Surfer segelte bei meiner Rückkehr nahe dem Strand hin und her und ich strickte meine Reihen ringsum und lauschte „Shogun“ im mittelalterlichen Japan. Das finde ich in Vorbereitung auf unseren japanischen Besuch passend.

Jetzt tröpfelt tatsächlich Regen auf mein Zeltdach, die Vögel zwitschern und jemand klimpert auf der Gitarre und singt. Mein Kühlschrank brummt dazu etwas befremdlich. Trotzdem finde ich es sehr romantisch. Ich nahm an, zu diesem Wochenende würden mehr Zelter eintreffen.Aber wir sind immernoch zu fünft auf der großen Zelterwiese.

Das ist mein Guckloch in die Welt vom Zeltinneren. Und auf meinen Stuhl. Wie wenig brauche ich, um mich zu erholen.

Letzter Tag, Wehmut kam auf. Ein Paar vom Hotel fragte mich auf dem Weg zum Strand, wo es zum Moor ginge. Zuerst wollte ich ihnen einreden, es gäbe hier keins.Dann schaute ich mit ihnen bei Google nach. Das Neuhausener Moor gibt es nicht nur tatsächlich, sondern es liegt wenige Meter vom Zeltplatz entfernt. Da musste ich dann auch hin..Noch nach 1945 wurde zum letzten Mal hier Torf gestochen.

Kurz bevor der Sturm aufkam, drang am Strand nochmal die Sonne durch.

…und letzter Tag: Regen, Sonnendurchbrüche und ein eisiger Wind fegt über den breiten Strand hinweg, so dass ich ernsthaft überlegte, ob ich zwischen all den Windsurfern mein Abschiedsbad nehme oder es bleiben lasse! Die Surfer kamen Sonntagmorgen aus Nah und Fern und überfielen mit ihren Kleinbussen wie Heuschrecken alle freien Parklücken am Zelterplatz und versetzten den sonst so friedlichen Platz in ein emsiges Treiben. Ich saß noch ein bißchen mit Strickzeug und Hörbuch am Meer, schaute ihnen zu und ließ mir den Sand ins Gesicht wehen. Aber das Farbspiel am Meer war es allemal wert.

…und Tschüß, liebes Meer, bis zum nächsten Mal. Dieses Mal halte ich den letzten Blick fest:

10 Gedanken zu „Ostsee zum Junibeginn 2024“

  1. Solch wunderschöne Aufnahmen! Sie erinnern mich an Wanderungen von Nonnevitz nach Arkona in jungen Jahren. Zum Geburtstag gab es immer einen Strauß aus Kornblumen und Klatschmohn.
    Danke, dass du mich mitnimmst.

  2. Liebe Tamara, ich hätte mir auch vorstellen können, dass mir jemand deine Berichte vorliest.
    Meine Augen sind geschlossen und trotzdem wäre alles präsent .
    Danke für das Erlebnis, deine Gudrun

  3. Liebe Tamara, bin nur schon vom Lesen und Bilder schauen verzaubert. Toll, dass Du Dir diese Auszeit mal gönnst. Ich wünsche Dir weiterhin so eine schöne und heilende Zeit! Du wirst mir morgen fehlen. 🥰

  4. Liebe Tamara, ich bin so beeindruckt von diesem wundervollen Abenteuer, das du erlebt hast! Deine Fotos vom Meer, dem Strand, den wunderbaren Wildblumen, den Wanderwegen – alles wunderschön, ich wünschte, ich wäre mit dir dort gewesen! Du hast eine unglaubliche Ausdauer für all das Wandern und Schwimmen. Was für ein wundervoller Rückzugsort du hattest und so besonders, dass du deine Gedanken und Erfahrungen mit uns geteilt hast. Danke!

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