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„Geographie ist Schicksal“

Beim Recherchieren stelle ich fest, dass dieser Napoleon zugeschriebene Satz auch der Titel eines Buches eines englischen Autors ist, der sich mit den Zusammenhängen der örtlichen Lage und der Geschichtsschreibung beschäftigt. Das Buch kommt auf meine Leseliste. Heute hatte ich das große Glück, sehr viel aus armenischer Sichtweise zu erfahren und dazu zu lernen. Ich wußte zum Beispiel nicht ( oder nicht mehr?), dass das Leiden in Armenien auch nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion sehr groß war. Die Bäume holzten die Menschen in Jerewan ab, um Feuer zu haben, in dieser Zeit der 90ziger Jahre! Strom gab es wie in manchen anderen Ländern heute auch nur eine Stunde am Tag, wenn überhaupt. Brot war auf 150 g am Tag pro Person rationiert. Die Menschen gingen mit allen Sachen, die sie hatten, ins Bett. Das Atomkraftwerk war abgeschaltet. Es kam alles zusammen, ein harter Winter, der Krieg mit Aserbaidschan um Nagorni- Karabach, die geschlossenen Grenzen nach Russland und Georgien, nur die nach dem Iran war offen. Armenier in Aserbaidschan erlitten großes Unrecht, Frauen wurden vergewaltigt. Es gab auch Aserbaidschaner, die Armenier versteckten…

Und was hat Armenien? Während Aserbaidschan das Öl hat, hat Armenien das Trinkwasser im größten Gebirgssee, dem Sewansee. Dort fischten die Menschen in den Zeiten der Not alles leer, so dass ein paar Jahre fischen verboten war. Der See hatte auch vorher schon viel Wasser verloren, da es in einen Staudamm zur Versorgung der Landwirtschaft abgeführt wurde. Zum Glück hatte Chrutschow zugestimmt, Tunnel zur Zuführung von Wasser zu bauen und so gewinnt der See allmählich wieder an Wasser. Was früher eine Insel war, ist heute nur eine Halbinsel. Wo früher vier verschiedene Forellen waren, sind heute nur noch zwei Arten. Die Sowjets setzten den weißen Fisch in den See, der sich so vermehrte, dass er auch in den Hungerzeiten gefischt werden konnte. Sie pflanzten Sanddorn, der eigentlich nicht heimisch war, und heute in Massen rund um See wächst.

Wir fahren erst aus der Stadt raus (das dauert) an flachen, kahlen Hochland vorbei, um zu dem Sewansee zu kommen. Am Sewansee tobt der Bär. Vor lauter Touristenstände und Touristen ist es schwer, den eigentlich romantischen und so gepriesenen Blick auf den See und die Kirche über ihm einzufangen.

Dieser tourische Stand gefällt mir gut. Ein Mann demonstriert das Reliefmeißeln in Stein. Ich möchte ihm Geld geben, um ihn bei der Arbeit zu fotografieren. Er will das Geld nicht und spricht außerdem 3 Sätze deutsch und freut sich, dass ich Interesse zeige:

Höhepunkt ist natürlich das Bad im See. Unsere Reiseleiterin weist uns auf Quellen und Strudel in dem bis fast zu 80 m tiefen See hin. Mancher kam vom Schwimmen nicht wieder und jetzt hätte der See nur 12 Grad. Aber die Sonne scheint, es gibt sogar einen Strand mit Umkleide und so gehe ich als Erste in den See. Ich erwarte, mich überwinden zu müssen. Aber ich glaube, dass das Wasser am Ufer noch viel wärmer ist. Nix mit frieren. Ist nur schön, zu planschen und einmal unterzutauchen. Rauschwimmen fällt natürlich nach dieser Belehrung aus.

Von den Booten aus kann man sicher tolle Fotos knipsen. Aber das steht nicht auf unserem Gruppenprogramm.

Tamara im Sewansee

Wir essen sehr gut gegrillten Fisch aus dem Sewansee in einem riesigen Food Court an der Autobahn. Der Fisch ist für die Einkommensverhältnisse der Armenier sehr teuer. Für uns ist er gut erschwinglich. Es ist sehr ungerecht und ich fühle mich erinnert an DDR Zeiten, als „Wessis“ sich im Osten alles leisten konnten und wir uns die Nase an der Scheibe plattdrückten.

Wir fahren durch einen kilometerlangen Tunnel und beim Hinausfahren hat sich die Landschaft komplett gewandelt. Wir fahren durch bewaldetes Gebirge bis zu einem Ort, in dem ein armenischer Amerikaner Häuser in dem Stil des Bergortes wiedererrichtete. Es ist sehr schön dort, aber wir verweilen nicht lange.

Ein Holzschnitzer, er schnitzt in Walnussholz

Ein Keramiker und mein erstandener Engel, es wären noch mehr im Angebot gewesen…

Im Kloster Haghartsin Monasterey im Nationalpark Dilijan gibt es zwar keine Stände, aber auch keinen Toiletten- Service, so dass ich Brechreiz kriege und ewig brauche, mich von dem Aufsuchen des Aborts zu erholen. Das Kloster und seine Umgebung sind natürlich trotzdem eine Reise wert. Eines der 3000 Klöster und Kirchen in Armenien und einer der 70.000 Chatschkare /Kreuzsteine bewundern wir hier.

Die Vielfalt ist so groß für ein kleines Land, so dass ich vor Ehrfurcht mich gern verbeuge. Bei meinen Recherchen stelle ich außerdem fest, dass Armenien flächen- und einwohnerzahlmäßig mit unserem Bundesland Brandenburg vergleichbar ist. Etwas über drei Millionen Armenier leben in Armenien. Die Berge vom Sewansee im Abendlicht, schade, dass wir nicht anhalten…

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